Angesichts der Überschüsse, die die Krankenkassen auf Grund der guten konjunkturellen Entwicklung erwirtschaften konnten, forderte die SPD-Bundestagsfraktion bereits Ende März, die Praxisgebühr abzuschaffen. Ihr Antrag „Praxisgebühr abschaffen – Hausärztinnen und Hausärzte stärken“ wurde aber von CDU/CSU im Bundestag am 27.04.2012 abgelehnt, berichtet Heiko Weiershäuser, Vorsitzender der ASG Hessen-Nord.
Überschüsse machen es möglich
Die vollen Kassen der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) sind Anlass für einen neuen Streit bei Schwarz-Gelb. Die SPD-Bundestagsfraktion will auf Grund der guten Kassenlage der GKV auf die 10 Euro Praxisgebühr pro Quartal verzichten. Sie habe ohnehin fast zehn Jahre nach ihrer Einführung die beabsichtigte steuernde Wirkung – die Senkung der Facharztbesuche – verfehlt, heißt es im Antrag. Zudem decken die Einnahmen aus der Praxisgebühr weniger als 1 Prozent der GKV-Ausgaben ab.
Die Union lehnt die Abschaffung der Praxisgebühr jedoch ab. Die FDP wirbt - nur aus Wahlkampftaktik in Schleswig-Holstein und NRW - um die Streichung der „Seehofer-Gebühr“. Sie stellt sich damit offen gegen ihren zaudernden Gesundheitsminister Daniel Bahr, der diesen Schritt bis Ende des Jahres prüfen will – vorab aber Rückzahlungen an alle Versicherten wegen der Überschüsse fordert. Das ist sozial ungerecht, weil auch Gesunde davon profitieren. Eine Abschaffung der Praxisgebühr würde alle Patienten entlasten, so Gesundheitsexperte Weiershäuser weiter. Das erneute Koalitionschaos geht zu Lasten der Krankenversicherten, die weiterhin die Gebühr zahlen müssen. Lachender Dritter ist Finanzminister Schäuble, der den gesetzlich Krankenversicherten unterdessen 2 Milliarden Euro zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes entwenden will.
Hausärzte stärken – Bürgerversicherung einführen
Die SPD will außerdem die hausärztliche Versorgung stärken, um die Wirtschaftlichkeit und die Qualität unseres Gesundheitssystems langfristig zu sichern. Ziel der Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist, dass die Krankenkassenbeiträge wieder zu gleichen Teilen von Beschäftigten und Arbeitgebern gezahlt werden. Mit der Einführung einer solidarischen Bürgerversicherung, in die jeder nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit einzahlen soll, wollen sie die sozial ungerechten Zusatzbeiträge abschaffen und zu jener Beitragsautonomie zurückkehren, bei der jede einzelne Krankenkasse ihren Beitragssatz bestimmt. Dieser liegt augenblicklich bei allen ca. 140 Krankenkassen bei 15,5 Prozent und ist damit viel zu hoch.
Eine Stärkung der Hausärzte ist auch unter Berücksichtigung des demografischen Wandels unerlässlich, weist Fraktionschef Weiershäuser auf ein gravierendes Problem hin, sonst droht uns ein Ärztemangel in ländlichen Regionen, auch bei uns in Wolfhagen. Darauf hatten wir bereits in unserem Programm zur Kommunalwahl 2011 hingewiesen und bei den Haushaltsberatungen 2012 die Verwaltung aufgefordert, sich auf etwaige Praxisschließungen in Wolfhagen konzeptionell vorzubereiten.
Wir sind sogar bereit, Ärzte, die in Wolfhagen eine Praxis übernehmen oder sich niederlassen wollen, im Bedarfsfall zu unterstützen. Die Versorgung, die momentan noch gut ist, stellt Karl-Heinz Löber, Vorsitzender des Haupt- und Finanzausschusses fest, muss für die Bürger in Wolfhagen gesichert werden. Das ist öffentliche Daseinsfürsorge !
Wie kam es zur Einführung der Praxisgebühr ?
Die Praxisgebühr ist nicht nur bei den GKV-Versicherten unbeliebt, sondern auch Ärzte und Krankenkassen klagen über den damit verbundenen zusätzlichen Verwaltungsaufwand.
Bei der Diskussion um die Praxisgebühr darf man Eines nicht vergessen, mahnt Heiko Weiershäuser, der Vorsitzender des Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokraten im Gesundheitswesen in Nordhessen (ASG) ist: sie wurde von der CDU/CSU-Fraktion im Rahmen der Verhandlungen zum Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) 2003 durchgesetzt.
Besonders der heutige bayerische Ministerpräsident Seehofer (CSU) hatte sich dafür stark gemacht. CDU/CSU forderten zunächst eine generelle Selbstbeteiligung der Kranken in Höhe von 10 Prozent der Behandlungskosten, mindestens jedoch 5 Euro für jeden Arztbesuch, gleichgültig ob Haus- oder Facharzt, Erstbesuch oder Folgetermin.
Um die von der CDU/CSU-Fraktion geforderten weitergehenden Zuzahlungen für die Patientinnen und Patienten zu vermeiden, sah die Kompromisslösung vor, dass 10 Euro pro Quartal vom Versicherten bezahlt werden müssen. Kinder sind befreit. Ebenso kann eine Befreiung auf Antrag für ein Kalenderjahr ausgestellt werden. Dazu muss belegt werden, dass mehr als 2 Prozent des beitragspflichtigen Einkommens (1 Prozent bei chronisch Kranken) bereits für Zuzahlungen, z. B. für Krankenhausaufenthalte oder Arzneimittel, geleistet wurden oder man zahlt sie im Voraus an die Krankenkasse ein.
Schade, dass CDU/CSU ohne schlüssige Begründung an der Praxisgebühr festhalten, so Heiko Weiershäuser und Karl-Heinz Löber abschließend, und Gesundheitsminister Bahr so viel Zeit zur Prüfung etwas offensichtlichem benötigt. Sie haben eine große Chance vertan, mehr Netto vom Brutto umzusetzen, nur weil es eine SPD-Forderung war.