Atomausstieg bis 2022: SPD deutet Zustimmung an
Berlin - Union und FDP haben die Kehrtwende in ihrer Atompolitik vollzogen: In zehn Jahren sollen die meisten Kernkraftwerke vom Netz gehen. Die SPD deutet jetzt ihre Zustimmung zu dem geplanten Atomausstieg an.
In zehn Jahren sollen die meisten Kernkraftwerke vom Netz gehen.
Die Bundesregierung kann auf Zustimmung der SPD zu ihren Plänen für einen Atomausstieg bis 2022 hoffen. Wie die Nachrichtenagentur dpa am Montag in Berlin erfuhr, sieht die SPD eine Rückkehr der Regierung zum rot-grünen Ausstiegsbeschluss. CSU-Chef Horst Seehofer spricht sich überraschend für eine neue Suche nach einem Endlager für hoch radioaktiven Atommüll aus. Anders als die SPD sehen die Grünen noch viele offene Fragen und wollen erst den Kabinettsbeschluss zur Energiewende am 6. Juni abwarten.
Die Koalition hatte in der Nacht die Pläne beschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, Schwarz-Gelb habe die Empfehlungen der Ethikkommission als Richtschnur genommen: “Wir brauchen für diesen Strom der Zukunft auch eine ganz neue Architektur unserer Energieversorgung.“
Die Aktien der Atomkonzerne Eon und RWE gerieten im DAX stark unter Druck. Analysten hatten vor allem auf einen Wegfall der Brennelementesteuer gehofft, die aber bleibt. CSU-Chef Seehofer sagte in Berlin zum Thema Endlager, alle geologischen Aspekte müssten erneut auf den Prüfstand gestellt werden. “Wir müssen erstmal Deutschland ausleuchten“, sagte er. Bisher sperrt sich Bayern gegen eine bundesweite Suche nach Alternativen zum Salzstock Gorleben in Niedersachsen. SPD und Grüne zweifeln an der Eignung Gorlebens.
Der Großteil der Meiler soll nach dem Willen der Bundesregierung schon bis 2021 vom Netz. Falls es Probleme bei der Energiewende gibt, sollen die letzten drei Meiler jedoch erst bis zum 31. Dezember 2022 abgeschaltet werden. Diese Anlagen werden als “Sicherheitspuffer“ angesehen. Im Rahmen des jetzt angestrebten Ausstiegs werden die sieben ältesten Atommeiler und das AKW Krümmel stillgelegt.
Die sieben Alt-AKW waren Mitte März nach der Katastrophe von Fukushima aus Sicherheitsgründen abgeschaltet worden. Eines dieser Kraftwerke soll allerdings bis 2013 - vor allem in den nächsten beiden Jahren - in einer Art “Stand By“-Funktion gehalten werden, um bei Stromengpässen reagieren zu können. Die Kosten belaufen sich auf etwa 50 Millionen Euro jährlich. Nach dpa-Informationen kommen Philippsburg I oder Biblis B infrage.
Die Einigung im Koalitionsausschuss von Union und FDP muss nun von der Regierung in Gesetzesform gegossen werden. Anschließend wird der Bundestag entscheiden. Den Bundesrat, wo die Koalition keine Mehrheit hat, will Schwarz-Gelb bei der Atomentscheidung außen vorlassen.
Die Fortschritte beim Ausbau des Ökostroms und der Netze will Schwarz-Gelb jährlich überprüfen, federführend durch Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP).
Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) betonte, dass in gut zehn Jahren Schluss mit der Atomkraft sein soll. “Das späteste Ende für die letzten drei ist definitiv 2022.“ Die Regierung will bei der Festlegung der Laufzeiten auf eine Kombination aus Strommengen und Betriebsjahren setzen.
“Insgesamt ist das eine Strommenge, die einer Laufzeit von 32 Jahren entspricht“, sagte Röttgen. Er betonte, es gebe eine “Klarheit des Endes“ ohne Revisionsklauseln, wie sie die CSU gefordert hatte. Zur Frage eines “Stand by“-Kraftwerks seien noch technische Fragen zu klären.
Röttgen verließ das Kanzleramt nach 13 Stunden Beratungen symbolträchtig per Fahrrad. Er will die erneuerbaren Energien massiv ausbauen: Bis 2020 soll der Anteil am Strom von heute 17 auf rund 35 Prozent steigen.
FDP-Generalsekretär Christian Linder sagte im Deutschlandfunk, es gebe keine Hintertüren beim Atomausstieg: “Das ist ein ganz transparenter klarer Fahrplan.“ Mit dem Festhalten an der Atomsteuer würden die finanziellen Folgen der Energiewende für die Stromkunden und den Bundeshaushalt unter Kontrolle gehalten.
FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle sagte im Bayerischen Rundfunk: “Wir haben das Tempo des Umsteuerns hinein in das Zeitalter der erneuerbaren Energien noch mal verschärft.“ (HNA vom 30.05.2011).